Mit Stand vom August 2020 ist es nach wie vor schwer, die möglichen Auswirkungen der Corona-Krise auf alle Bereiche des Bauens und Wohnens einzuschätzen. Während die Baubranchenvertreter eher mit einer azyklischen Baukonjunkturentwicklung rechnen, trifft die Krise viele Privathaushalte bereits ganz direkt. Wie sich diese aktuelle Situation zusammen mit bereits längerfristig andauernden Entwicklungen auf die Wohneigentumsbildung und Altersvorsorge in Deutschland auswirken, zeigt eine aktuelle Studie des Pestel-Instituts (Hannover). Dabei wird deutlich, dass sich niedrige Einkommensgruppen (mit einem NettoHaushaltseinkommen von unter 2.000 Euro pro Monat) schon vor der Corona-Krise nur noch wenig bis gar nicht für eine zusätzliche private Altersvorsorge engagieren konnten. Jetzt kommt die aktuelle Verunsicherung dazu. So ist bisher nicht klar, wie sich Kurzarbeit, bereits vollzogene Betriebsschließungen und extreme Umsatzeinbrüche in verschiedenen wirtschaftlichen Bereichen langfristig auf die Lebensplanung vieler Haushalte auswirken werden.
Auf der einen Seite hat gerade die Corona-Krise gezeigt, wie wichtig die eigenen vier Wände sind. Vom Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit über die Möglichkeit der Arbeit im Homeoffice bis zur soliden Altersvorsorge reicht die Bedeutung der eigenen Wohnung sowohl aus persönlicher als auch aus gesamtgesellschaftlicher Sicht.
Auf der anderen Seite erhöhen sinkende Renten, fehlende private Altersvorsorge und steigende Wohnkosten die Gefahr für eine zunehmende Altersarmut in Deutschland. Dabei wird die Altersarmut insbesondere eine Mieterarmut sein. Der Erwerb von angemessenem Wohneigentum könnte für bis zu 7 Mio. Haushalte ermöglicht werden und so einen spürbaren Beitrag gegen Altersarmut und für eine zukünftige Entlastung der sozialen Sicherheitssysteme leisten.
Vor diesem Hintergrund fordern die unterzeichnenden Teilnehmer die Bundesregierung auf, die nachfolgenden Maßnahmen für verbesserte Rahmenbedingungen zur Wohneigentumsbildung zu ergreifen:
Für den Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum, als sicherste Form der Altersvorsorge, müssen Fördermaßnahmen eingeräumt werden, insbesondere für jüngere Haushalte (die sogenannten Nestbauer im Alter zwischen ca. 25 und 40 Jahren) sowie für ältere Haushalte (mit inzwischen selbständigen Kindern oder kinderlosen Lebensgemeinschaften im Alter
zwischen ca. 40 und 65 Jahren).
Hierbei sollten Einkommensgrenzen und Wohnflächenbegrenzungen berücksichtigt werden. Denn kleines Wohneigentum ist als Altersabsicherung für Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen finanzierbar. Gleichzeitig wäre eine solche Wohnflächenbegrenzung auch mit anderen politischen Zielsetzungen zur Baulandbegrenzung (Hektarziel) aus
Klimaschutzgesichtspunkten konform.
Dabei bieten sich folgende Lösungsmöglichkeiten an:
• Bürgschaften zur Wohneigentumsbildung
In weiterer Umsetzung des Koalitionsvertrages sind gestiegene Eigenkapital-forderungen zur
Baufinanzierung durch ein zusätzliches Bürgschaftsprogramm (Bürgschaften für mindestens
20% der Erwerbskosten bis zu einer zu definierenden Maximalhöhe) für den Erwerb von
selbstgenutztem Eigentum auszugleichen. Somit würde auch die Wohneigentumsbildung für
jüngere Haushalte und ältere Haushalte mit niedrigen Einkommen möglich.
• Kreditprogramme für Schwellenhaushalte
Es sollten gezielte weitere Kreditprogramme für ein „kleines Wohneigentum“ (z.B. für einen 2-
Personenhaushalt mit 60-70 qm Wohnfläche) bereitgestellt und angeboten werden, die auf
den Eigentumserwerb von Schwellenhaushalten mit längerfristiger Zinsbindung (20-30 Jahre)
und zu stabilen Zinskonditionen von 1,5% bis zur vollständigen Tilgung der Kredite
ausgerichtet sind.
• Sicherheitsfonds zur Wohneigentumsbildung
Auch in Deutschland sollte – nach niederländischem Vorbild – ein Sicherheitsfonds für Wohneigentumserwerber aufgelegt und so schnell wie möglich zugänglich gemacht werden. Gegen die Zahlung einer einmaligen Gebühr (unter 1% der Darlehenssumme) kann der Fonds bei Zahlungsverzug den Kredit von der Bank übernehmen und so die Gefahr einer Zwangsversteigerung deutlich abmildern. Anschließend können über den Fonds dann mit dem Kreditnehmer neue Zahlungskonditionen bis zur endgültigen Tilgung der Darlehenssumme verhandelt werden.
• Keine zweite Grunderwerbsteuer für kleines Wohneigentum
Durch eine entsprechende Anpassung der Steuergesetzgebung ist kurzfristig sicherzustellen,
dass die Grunderwerbsteuer beim Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum entfällt. Dazu
können Rahmenbedingungen für eine angemessene Größenordnung des selbstgenutzten
Wohneigentums über eine Wohnflächen-begrenzung vorgegeben werden.
Städte und Kommunen sollten kurzfristig Zugang erhalten auf leerstehende Grundstücke und Gebäude, und zwar durch
• zielgerichtete Maßnahmen unter Nutzung und Verbesserung bereits vorhandener Möglichkeiten gemäß Baugesetzbuch
• die beschleunigte Umsetzung von Verdichtung und Aufstockung.
Neben der allgemeinen Beschleunigung und Digitalisierung von Bauprozessen sowie der Anreizwirkung über das Baukindergeld kann insbesondere die ganz gezielte Bereitstellung von kostengünstigem Bauland ein wesentlicher Beitrag für die Schaffung angemessenen selbstgenutzten Wohneigentums sein.
Gemessen an Personenkilometern hat der motorisierte Individualverkehr mit über 80% den größten absoluten Anteil am gesamten Personenverkehr. Das Pendleraufkommen, insbesondere in den Ballungszentren, ist extrem angewachsen und belastet vorhandene Verkehrsanbindungen zum Teil schon jetzt über vertretbare Grenzen hinaus. Dennoch müssen der bezahlbare Bau bzw. Erwerb von Eigentumswohnungen insbesondere in den Ballungszentren und deren Umfeld weiter gestärkt werden.
Der entschlossene Ausbau der digitalen Netze sowie der Mobilität wird damit auch zum Kriterium für eine Wohneigentumsbildung zur Altersvorsorge von Haushalten mit niedrigen und mittleren Einkommen in ländlichen Bereichen. Gefordert werden insbesondere:
• eine verbesserte digitale Anbindung ländlicher Räume zur Schaffung von
Arbeitsplätzen vor Ort und zur Gewährleistung von Heimarbeit,
• die Erweiterung des ÖPNV durch verbesserte Infrastrukturen in Anbindung von Stadt und Land,
• eine gezielte Investition u.a. in autonome Verkehrssysteme zur zukünftigen Gewährleistung der notwendigen Versorgung auch von älteren Haushalten und Personen in ländlichen Räumen.
Darauf sind gezielt weitere Untersuchungen und Förderprogramme auszurichten.
Berlin, den 18.08.2020